Kognitive Leistungsniveaus
In den Ausführungen bis hier hin wurde auch neben den jeweils direkt angesprochenen Sachverhalten indirekt deutlich, dass viele unterschiedliche gedankliche Aktivitäten abliefen. Und, für uns noch wichtiger, es sich dabei auch um unterschiedlich schwierige kognitive Prozesse handelte. Mal sollte lediglich in der Tabelle eine bestimmte Zelle identifiziert werden, mal eine Herkunftsangabe, mal mussten Unterordnungen im Sinne von top down Schritten vorgenommen werden, mal Übersetzungsleistungen, indem Zahlen so umstrukturiert wurden, dass sich daraus Balken unterschiedlicher Größe ergaben.
Nun ist es für die Vorbereitung und Durchführung von Lerneinheiten unter der Prämisse der Teilnehmerangemessenheit, also dem Lernvermögen der Teilnehmenden gerecht zu werden, wichtig, sich als Kursleitende genau darüber im Klaren zu sein, was eigentlich eine einfache Anforderung und Lernleistung ist, was dagegen eine mittelschwere und erst recht eine sehr schwere. Dazu müssen kognitive Zugriffe auf eine Aufgabe gruppiert und dann in eine Rangreihenfolge gebracht werden. Bei ihr stünden dann ganz unten sehr einfache Leistungen, diese steigerten sich über mittelschwere bis oben hin zu sehr anspruchsvollen Anforderungen.
Eine solche Abstufung haben wir anhand der Analyse zahlreicher Lerneinheiten, Lernmaterialien, und vor allen Dingen zahlreicher Performanztests erstellt. Letztere sind von uns entwickelte Verfahren zur Bestimmung des Lernstandorts von Teilnehmenden. Hierbei müssen die Teilnehmenden eine lebensweltsnahe, problemhaltige Aufgabe mit mehreren, immer schwieriger werdenden Fragen bearbeiten. Dieses Verfahren erlaubt, die von den Fragen ausgelösten Antworten der Teilnehmenden genau zu analysieren und zu sehen, was ihnen mühelos gelang, bei welchen Fragen sie sich eher schwer taten und schließlich, welche sie vor enorme Anforderungen stellte.
Aufgrund all diese Analysen konnten wir folgende Abstufung der kognitiven Lern – Leistungsniveaus vornehmen:
Aufstufung der vier kognitiven Niveaus
Niveau 1: Wiederkennen (Rehearsal)
Eine Information, die beim Lesen (zum Beispiel des Aufgabentextes) bereits im Arbeitsgedächtnis gespeichert wurde, muss wiedererkannt werden.
Gefragt wird beispielsweise nach einer bestimmten Summe Taschengeld, und der Begriff ‚Taschengeld‘ muss im Text mit der dazugehörenden Summe identifiziert werden.
Niveau 2: Erschließung und Anwendung von abstrakten Algorithmen
Beziehungen zwischen Informationen, die im Material (der Aufgabe) enthalten sind, müssen erkannt werden, oder es wird eine Subsumtion gegebener Informationen unter allgemeine Regeln verlangt.
Das können beispielsweise sein: Das Erkennen von Wenn-Dann-Beziehungen, die Anwendung des Dreisatzes, das Erkennen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe/Klasse.
Niveau 3: (Neu-)Organisation und (Um-)Strukturierung
Niveau 3 umfasst Leistungen, die darin münden, vorhandene Informationen und Konstellationen in andere Präsentationsformen zu übertragen, ihnen also ein neues Aussehen, eine neue Struktur zu geben. Dies geschieht etwa dadurch, dass in Textform vorliegende Informationen in eine Grafik ‚übersetzt‘ werden oder ein Gesetzestext in Alltagssprache widergegeben wird.
Niveau 4: Elaboration
Hier geht es um die Produktion neuer, der Aufgabe nicht unmittelbar zu entnehmender Erkenntnisse (Analogien bilden, kontrastieren, Beispiele entwickeln …). Über das Entwerfen und anschließende Prüfen von Hypothesen zur Lösung eines Problems werden auf dieser Niveaustufe komplexe begründete Handlungsentscheidungen möglich (unter Berücksichtigung der vorhandenen Informationen und unter Anwendung gegebener Kriterien).
Jedes höhere Niveau schließt die kognitiven Leistungen des vorherigen und damit aller darunterliegenden ein.
Von Niveau 2 zu Niveau 3 findet ein qualitativer Sprung statt. Die Niveaus 1 und 2 umfassen eher einfacher Leistungen. Erst ab Niveau 3 werden auch höher entwickelte Leistungen erforderlich – wie sie im Alltag sehr häufig vorausgesetzt werden!